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Anne Anton und die 2 Punkte Bewertung

Nun hatte ich endlich mein Buch, eine Biografie über meinen Sohn mit dem Asperger-Syndrom erfolgreich verlegen lassen. All die Jahre hatte ich mit mir gerungen, bis ich den starken Wunsch nicht mehr ignorieren wollte, endlich aufzuschreiben, was uns geschehen war. Es darf sich nicht wiederholen, dass Eltern mit einem Kind, was nicht der Norm entspricht, so viele Ängste durchleben müssen. Mein Sohn hatte mir schon lange das OK zu diesem Projekt gegeben. Wir waren mittlerweile müde geworden, immer so zu tun, als wenn alles in bester Ordnung sei, so wie bei ganz normalen Familien. Wir wollten nicht mehr kämpfen müssen, sondern akzeptierten längst, dass jeder Mensch ein Recht auf Anderssein haben durfte. Und natürlich waren wir sehr stolz darauf, soviel in den Jahren erreicht zu haben. Diese Erfahrung mit anderen Menschen zu teilen, wozu Liebe und das daraus erwachsende Vertrauen fähig ist, war uns persönlich wichtig. Was auf Grund der Diagnose scheinbar unmöglich erschien, war durch unseren festen Glauben an einen positiven Ausgang möglich geworden. Wir konnten vielen Menschen mit unserer Geschichte Mut machen und erhielten zur Bestätigung wunderschöne Briefe und Rezensionen über das Internet. Doch kleine Zweifel meinerseits blieben, ob es wirklich richtig war, die Geschichte zu veröffentlichen.

Als ich mal wieder meine Bewertungen im Internet anschaute, entdeckte ich einen neuen Kommentar. Mein Herz schlug bis zum Hals.

Anne Anton vergab nur zwei Punkte. Sie war sehr unzufrieden mit dem Kauf meines Buches. Sie ließ ihren ganzen Frust in schriftlicher Form nieder und warf mir sogar vor, dass ich mich mit Klarnamen nannte. Ein Pseudonym wäre mir nie in den Sinn gekommen. Wir hatten uns doch lang genug versteckt und bis ins allerkleinste Detail hatte ich unsere Lebensgeschichte nicht beschrieben Da gab es noch so viel mehr zu berichten. Aber es machte etwas mit mir. Den ganzen Tag dachte ich an Anne Anton. Grübelnd, in einer Endlosschleife spulte ich ihre Kritik vor meinem „Geistigen Auge“ ab. Hatte ich mich doch nicht so klar ausgedrückt in meinem Buch? Nein, sie hatte die ganze Geschichte nicht verstanden! Anne Anton wollte Tipps und Hilfen finden, die sie nicht fand und auch überlas. Ein Heilsversprechen meinerseits gab es nie. Die Verantwortung für sein Leben muss jeder selber tragen. Dennoch ist es tröstend zu wissen, dass wir nicht alleine sind mit unseren Sorgen, das es viele Menschen gibt, die im selben Boot sitzen und einander verstehen. 

Es ließ mir keine Ruhe. Was waren meine wahren Beweggründe für die Veröffentlichung? Wollte ich meinen Sohn nur in die Öffentlichkeit zerren und die ganze Familie beschämen?

Herrje, in meinem Kopf ging es rauf und runter.

Zusehends wurde ich müder und ich entschied mich, ein Mittagsschläfchen zu halten. 

Nach kurzer Zeit sank ich immer tiefer in die erhoffte Entspannung. 

Ich bekam einen luziden Traum. Das bedeutet, ich träumte sehr klar und bewusst erlebend, hörte zeitgleich das Ticken der Uhr und das Schmatzen des Hundes und tauchte in eine andere Wirklichkeit ein. Ich fühlte mich wunderbar körperlos und nahm mich als reine Energie wahr, glücklich und frei.

Ein riesiges Meer umspülte mich. Wohlig und warm umhüllt jauchzte ich vor Vergnügen. Mit einer Leichtigkeit sprang ich durch das Wasser auf und ab, freudig und verspielt wie ein Delphin. Schwerelos und glücklich wünschte ich, dass dieser Zustand nie enden möge.

Auf einmal erblickte ich einen kleinen Jungen in noch weiter Ferne, der immer näherkam. Er saß auf einem weißen Pferd und hielt krampfhaft noch ein zweites weißes Pferd nah bei sich, als wenn er beide gleichzeitig reiten wollte. Er hatte sich schon so weit vornübergebeugt, dass er kurz vorm Herunterfallen war und er schien sehr entkräftet. Ohne Zögern schoss ich aus dem Wasser und übernahm das zweite Pferd. Der Junge entspannte sich und konnte somit eine bequemere Sitzposition einnehmen. Gemeinsam und voller Freude ritten wir zum nahegelegenen Strand.

Augenblicklich erwachte ich und fühlte mich sehr glücklich. Die Botschaft, die dieser wundervolle Traum für mich enthielt, schien mir sofort klar.

Da es für mich ein Weiterleben nach dem physischen Tod gibt, war es mein Sohn, der zwei Pferde reiten wollte. Jedes Tier stand für eine hochemotionale Aufgabe, die wir in einem höheren Bewusstsein für das neue Erdenleben planten.“ Zwei Pferde“ waren doch zu viel für ihn und ich entschied mich mit ihm zu gehen, ihn zu begleiten. Ich übernahm ein Pferd und so ritten wir gemeinsam und heil an den Strand des Lebens.

Auf einmal wusste ich es ganz genau! Ich hatte richtig entschieden und meine Beweggründe und Motive, das Buch der Öffentlichkeit preiszugeben waren von reiner Absicht. Die Aufgabe unserer Familie war es, Menschen zu ermutigen, den Weg der Liebe und ihres Herzens zu gehen. Denn wir hatten erfahren, dass durch eine positive Sichtweise und Haltung auf das Leben Wunder geschehen.

Ich danke dir von Herzen mein Sohn, dass wir uns entschieden haben, dieses Leben gemeinsam zu erleben. 

Und ich habe dir zu danken Anne Anton! Durch deine Kritik hast du es mir ermöglicht, auch meine allerletzten Zweifel und Ängste zu heilen.